"Peggy goes Fastnet"
SY Peggy beim Fastnet 2025
Von einer Idee zum bisher längsten Spinnaker-Ritt
Liebe DHHler,
wir freuen uns sehr, euch hier ausführlicher von einem ganz besonderen Kapitel in der Geschichte unseres Vereins und der Ausbilderyacht „Peggy" berichten zu dürfen: dem Weg von einer spontanen Idee bis zur erfolgreichen Teilnahme am legendären Rolex Fastnet Race 2025.
Wie alles begann
Die Geschichte nimmt ihren Anfang, im Jahr 2021. Damals haben Christoph Valentin und Sönke Mühlfeld die Peggy wieder nach der Corona-Zwangspause in die Dänische Südsee bewegen dürfen. Dies alles im Rahmen eines Fortbildungs-Törns für Ausbilder. Dort reifte die Idee, die Peggy wieder häufiger einzusetzen. Im Jahr 2022 war es endlich soweit. Unser langjähriger HYS-Segellehrer Jan-Philipp Leon hat es geschafft, die Peggy erneut an den Start zur Nordseewoche zu bringen und eine Crew dafür zu organisieren. Sönke war hierbei Teil der Crew. Nach einer erfolgreichen Teilnahme an der Nordseewoche auf Helgoland verstärkte Ferdinand Muth die Crew für die anschließende Offshore-Regatta „Rund Skagen” – so lernten sich Sönke und Ferdinand kennen. Schnell merkten wir: Das passt!! Nach Abschluss dieser Regatta war das Feuer entfacht: Die Peggy sollte wieder regelmäßig in ihr natürliches Habitat zurück – die Regattabahn.
Erstmal einfacher gesagt, als getan. Mit tatkräftiger Unterstützung durch die Stammcrew der HYS gelang es, die Peggy weiter fit für die Regatten zu machen und schrittweise zu optimieren. Dabei wurden von Anfang an in enger Abstimmung mit der HYS mehrere Ziele verfolgt: Möglichst viele unterschiedliche Ausbilderinnen und Ausbilder zusammenzubringen, durch die Crew-Komposition von erfahrenen und unerfahrenen Seglern den Fortbildungsaspekt zu gewährleisten, und anderen Schiffsführern die Gelegenheit zu geben, die Peggy selbst auf die Regattabahn zu bringen. Insbesondere wollten wir dafür sorgen, dass die Besatzung der Peggy immer wieder durchgewechselt wird. Dabei würden alle Beteiligten lügen, wenn sie behaupten würden, sie hätten nichts mehr gelernt!
In den folgenden Jahren (2022-2025) hat die Peggy, an Bord immer aktive Ausbilder der HYS und CYS, unter anderem an folgenden Regatten teilgenommen:
2022: Nordseewoche, Rund Skagen, Blue Ribbon Cup, Fördewoche
2023: Blue Ribbon Cup, Ærø Rund, Rund Bornholm
2024: Nordseewoche, Rund Skagen, Blue Ribbon Cup, Ærø Rund, Fördewoche, Commodore Cup
2025: Nordseewoche, Helgoland Offshore Triangle, Fastnet Race, Blue Ribbon Cup, Lyo Rundt, Flensburger Fördewoche im Rahmen des DHH Jubiläums
Der Traum nimmt Gestalt an
Nachdem mehrfach erfolgreich die Offshore-Regatta Rund Skagen und diverse andere Regatten absolviert waren, wuchs die Lust auf mehr. Die Frage stand im Raum: Was wäre das Spannendste, bei dem die Peggy realistisch auf die Regattabahn gebracht werden kann? Der Blick fiel schnell auf europäische Offshore-Klassiker wie Gotland Rund und das Fastnet Race. Es wurde geträumt und gewitzelt – und dann kam die Frage: Wieso eigentlich nicht? Plötzlich fiel es uns wie Schuppen von den Augen: Das Jahr 2025 ist das Jahr der hundertjährigen Jubiläen! 100 Jahre DHH, 100 Jahre Regatta Rund Helgoland und 100 Jahre Fastnet Race! Das musste unser Ziel sein.
Kontakt mit der Schulleitung und mittelbar mit dem Vorstand wurde aufgenommen, um die Möglichkeiten auszuloten. Es folgten viele Vorgespräche, und der Planungskreativität wurde freier Lauf gelassen. Zwar hatten wir beide bereits umfangreiche Erfahrung in der Organisation der Teilnahme an Offshore-Regatten, aber bisher waren diese meist mit Start in Glücksburg ggf., kurzem Zwischenstopp und Ende wieder in Glücksburg. Schnell wurde klar: Die Organisation einer Peggy-Teilnahme am Fastnet würde eine deutlich größere Aufgabe werden. Insbesondere durch den Brexit kamen hier noch weitere, zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte, Herausforderungen auf uns zu.
Peggy goes Fastnet: Die Erlaubnis
Im Winter 2024 erhielten wir vom Vorstand und der Schulleitung die grundsätzliche Erlaubnis, mit der Peggy das Fastnet zu bestreiten. Dabei gab es einige Prämissen: Die komplette eigenständige Organisation der Vorbereitung – Bürokratie, Schiff, Crew-Anforderungen und alles andere, was dazugehört. Weiterhin behielt sich die Schulleitung ein Vetorecht vor, uns gegebenenfalls den Start zu untersagen, wenn es zu erheblichen Sturmbedingungen wie bei den beiden vorherigen Fastnet-Rennen kommen sollte. Als X-332 gehört die Peggy mit zu den kleinsten Schiffen auf der Bahn – doch wie sich herausstellen sollte, war Rasmus bei diesem Fastnet um einiges gnädiger!
Um uns die Organisation zu vereinfachen, wurde von der HYS angeboten, dass die Überführungen nach Cherbourg und zurück zur HYS im Rahmen von Ausbilder-Ausbildungstörns organisiert werden würden. Wir nahmen dieses Angebot dankbar an, schließlich bedeutete dies für uns eine erhebliche zeitliche Entlastung.
Organisation & Crew
Das Projekt beginnt
Wir hatten uns, bedingt durch unsere Erfahrungen aus der Teilnahme an den vorangegangenen Langstrecken Regatten, das Ziel gesetzt zu siebt auf die Regatta zu gehen. Das Wachsystem: Zwei segeln immer an Deck, zwei stehen auf Stand-by für Manöver wie Spinnaker-Segeln oder Segelwechsel, zwei dürfen schlafen, außer bei All-hands on deck. Das Ganze in einem rotierenden und überlappenden System, damit man immer mit wechselndem Team an Deck ist. Der Siebte ist wachfrei und hat die Hauptaufgabe als Navigator und Backup, falls jemand ausfällt – was man, wie die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt haben, leider nie komplett ausschließen kann.
Die Crew bestand aus langjährigen, aktiven ehrenamtlichen Ausbilderinnen und Ausbilder, die einen guten Mix des DHH widerspiegeln.
Der Verband hat von Anfang an klar kommuniziert: Die Peggy steht allen aktiven Ausbildern mit SKS zur Verfügung. „Aktiv” bedeutet konkret: bereits als Ausbilder tätig gewesen und auch in der gegenständlichen Saison als Ausbilder aktiv. Das Prinzip „Geben und Nehmen” bleibt dabei zentral – wer diese Kriterien erfüllt, ist auf der Peggy willkommen.
Nach unserem ersten virtuellen Kennenlerntreffen wurden die Arbeitspakete aufgeteilt. Die Liste war lang: Winterarbeit am Schiff, Anmeldung und Bürokratie, Finanzplanung, medizinische Versorgung, Segel und Trimmtabellen, Navigation, Proviantierung, Energiemanagement und die Überführungen. Je nach Lebensumständen hatten die Crewmitglieder mehr oder weniger Zeit – entsprechend wurde organisiert, aber wirklich jeder hat sich eingebracht.
Die Crew
Mira Marx: Studentin, diesjährige Praktikantin an der HYS
Amelie Steinbrinker: Studentin, ehemalige Volontärin an der HYS
Jonathan Bundies: Student, ehrenamtlicher Ausbilder an der HYS
Dr. Alexander Lüllmann: Zahnarzt, ehrenamtlicher Ausbilder an der CYS
Knud Oldörp: Politischer Berater, ehrenamtlicher Ausbilder an der HYS
Ferdinand Muth: Student, ehemaliger Volontär an der HYS
Sönke Mühlfeld: Anwalt, ehrenamtlicher Ausbilder an der CYS & HYS
Winter-arbeiten & Vorbereitung
Durch die guten Vorarbeiten in den Vorjahren konnten wir uns im Winter hauptsächlich um das Frischwassersystem, den Außenbereich und das Unterwasserschiff kümmern. Das Unterwasserschiff wurde von uns geschliffen, gespachtelt und von den Winterhelfern der HYS mit neuem Antifouling versehen. Auch hier nochmal großen Dank an alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer!.
Sämtliche Frischwasserleitungen und die Druckwasserpumpe haben wir ausgetauscht. Neue Leesegel haben wir eingebaut – damit hatte das obligatorische Enge-Koje-Kuscheln bei Krängung in der Achterkoje endlich ein Ende!
Meldung und Wartezeit
Am 15. Januar um 11:00 UTC öffnete das Meldeportal des RORC. Uns war klar, dass es eine zeitlich kritische Angelegenheit werden würde – schließlich sind die Startplätze begrenzt und heiß begehrt. Also saßen wir gespannt am Rechner, Uhrzeit im Blick, Finger bereit. Kurz nach Öffnung der Meldung waren wir registriert, doch dann begann das lange Warten. Hatten wir wirklich einen Platz ergattern können? Unklar. Die ersten Veröffentlichungen des RORC ließen erahnen, wie knapp es war: über 400 Meldungen innerhalb von zwei Minuten! Am 21. Januar dann die erlösende Nachricht – wir sind dabei! Der Traum lebt weiter.
Nachdem diese Winterarbeiten erledigt waren und die Anmeldung bestätigt war, galt es, die umfangreiche Checkliste für die Offshore Special Regulations der Kategorie 2 abzuarbeiten. Diese Liste umfasst etliche Einzelpunkte, die nach dem tödlichen Fastnet 1979 verstärkt überarbeitet und erweitert wurden, um die Sicherheit an Bord zu erhöhen. Das entsprechende Regelwerk umfasst mittlerweile über 60 Seiten. Auch stellt diese Checkliste Anforderungen an die Crew. So mussten in unserem Fall mindestens zwei Crewmitglieder ein World Sailing Medical Training und mindestens vier ein World Sailing Sea Survival Course absolviert haben. Das umfasst das vom DHH angebotene “Hochseesicherheitstraining” für alle Mitglieder, welches zweimal jährlich angeboten wird. Wir können eine Teilnahme bedingungslos empfehlen.
Nach intensiver Winterarbeit stand die Peggy, auch dank professioneller Hilfe von Quantumsails mit einem optimal getrimmten Mast endlich segelbereit in der Box an der Ostseebrücke im Glücksburger Hafen. Dank großartiger Unterstützung durch den Verein und Spenden der Crew gab es eine umfangreiche neue Segelgarderobe. Wir dachten es kann losgehen.
Das erste Training
Rückschlag zu Ostern
Unser erstes gemeinsames Training fand über Ostern 2025 statt. Der Trainingsplan: Nonstop von Glücksburg nach Skagen und zurück, um Schiff und Crew einem ersten echten Dauertest im Frühjahr bei anspruchsvollen Bedingungen zu unterziehen. Nach einem knackigen Start am Gründonnerstag in die Nacht hinein brach leider auf Höhe Langeland in absoluter Dunkelheit das Tuff Luff. Das Vorsegel war nicht mehr mit dem Vorstag zu verbinden. Die Peggy ist mit einer doppelten Vorliekschiene, einem sog. Tuff Luff, ausgerüstet, die ein schnelles paralleles Vorsegel wechseln und eine verbesserte Anströmung ermöglicht. Mit der gebrochenen Schiene wäre nur noch das Segeln unter Sturmfock oder mit erheblichem Umbauaufwand auch mit der G4 möglich gewesen. Nach einem kurzen Stopp in Bagenkop und Analyse der Situation haben wir mit großem Bedauern entschieden, das Oster-Training abzubrechen.
Die Ostertage haben wir dann gemeinsam verbracht, und wir haben uns um diverse Arbeiten und Organisatorisches gekümmert. Innerhalb von zwei Wochen war das Ersatzteil dann da und wurde mit Hilfe der Werft eingebaut. Endlich war die Peggy startklar für die Qualifikationsregatta: die Nordseewoche und insbesondere das Helgoland Offshore Triangle auf Helgoland.
Als eine der weiteren Voraussetzung für die Teilnahme am Fastnet, müssen Boot und die Crew zuvor anerkannte Qualifikationsregatten absolvieren, um Seetüchtigkeit, Offshore-Erfahrung und Teamfähigkeit nachzuweisen. Ein Großteil der Mannschaft muss innerhalb von zwölf Monaten vor dem Start mindestens 300 Seemeilen auf dem gemeldeten Boot gesegelt haben. Mindestens 50% der Crew – einschließlich des verantwortlichen Schiffsführers – müssen die Anforderungen gemeinsam erfüllen. Die Qualifikationsrennen müssen vom Royal Ocean Racing Club (RORC) anerkannt sein. Auch externe Rennen können nach Absprache gelten, sofern sie den Anforderungen des RORC genügen.
Bei uns war dies das Helgoland Offshore Triangle (H.O.T.). Hierzu dürfen wir auf den Artikel von Manuel Sazinger aus dem letzten Blauen Peter (04/25) verweisen – an dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an Manu für die Unterstützung und perfekte Integration ins Team. Gerne wieder!
Über-führungen
Überführung nach Cherbourg
Nach der erfolgreichen Teilnahme an der Nordseewoche und dem absolvieren der ersten Jubiläumsregatta, 100-Jahre Rund Helgoland, und des anschließenden H.O.Ts wurde die Peggy zurück nach Cuxhaven überführt und an Arvid Graeger übergeben, der sie mit einer Ausbilder-Crew bis nach Cherbourg-en-Cotentin brachte. Auch an dieser Stelle darf auf Arvids Artikel im Blauen Peter (04/25) verwiesen werden – ohne die Unterstützung durch die Überführungscrews wäre das alles wesentlich schwieriger geworden! Vielen Dank Euch!
In Cherbourg lag die Peggy einige Wochen, bis die Crew eine Woche vor dem Fastnet anreiste. Die letzten Arbeiten standen an: Umbau vom Überführungs- in den Regattamodus. Segel von Bord, andere Segel an Bord, Pantry auf ein absolutes Minimum reduzieren, letzte EU-interne Einkäufe, Vorschriften beachten (was darf nach UK eingeführt werden?), Medikamente, Proviant, letzte Bastelarbeiten. Besonders hilfreich war ein über private Kontakte geliehenes Solarpanel, das Mira organisiert hatte – es half enorm beim Energiemanagement!
Überführung nach Cowes
Für viele war es das erste Mal auf dem Ärmelkanal. An den Needles vorbei durch den Solent bis nach Cowes – bewusst im Zeitplan wegen der Tide. Imposante Natur, dankbares Sommerwetter und eine begeisterte Crew. Wir nutzten die verblieben Zeit auch noch für Manövertraining im Solent. Vor dem Anlegen klärten wir noch die letzten Details telefonisch mit dem Zoll, so konnten wir die Flagge Q schon vor dem Einlaufen niederholen. Das Ankommen im bereits gut gefüllten Hafen, Sheppards Marina, und die Anlegemanöver mit Tide, bei denen die normale Leinenarbeit fast obsolet wurde, waren beeindruckend. Obwohl wir unseren Liegeplatz direkt nach der Meldung gebucht hatten, konnten wir keinen Platz mehr im Cowes Yacht Haven ergattern, da dieser bereits vollständig ausgebucht war und auch für die Teilnehmer des Admiral Cups reserviert war.
Laydays in Cowes: Die Ruhe vor dem Sturm
Drei Nächte verbrachte die Crew in Cowes – und was für Tage das waren! Diesmal wirklich die allerletzten Kleinstreparaturen und Optimierungen, bevor es ernst wird. Doch Cowes bot weit mehr als nur Werkstatt-Atmosphäre: Es war die Gelegenheit, die einzigartige Stimmung eines der bedeutendsten Segelzentren der Welt aufzusaugen.
Besonders faszinierend war das tägliche Einlaufen der Schiffe des parallel stattfindenden Admirals Cup. Was dort zu beobachten war, grenzte an eine perfekt choreografierte Ballett-Aufführung: Die Profi-Teams bekamen zum Teil extra Inshore-Crews an Bord, nur um die Boote sicher in den Hafen zu manövrieren und aufzuklaren. Innerhalb von nur 30 Minuten waren mehr als 20 hochkomplexe moderne Rennmaschinen festgemacht und komplett aufgeklart – alles parallel ablaufend. Vom Riggcheck über das Bergen der Segel bis zum hübschen Aufklaren: Diese Präzision und Geschwindigkeit waren beeindruckend und lehrreich zugleich.
Doch nicht nur die Profis prägten die Atmosphäre. Überall auf den Stegen, an den Booten und in den Straßen herrschte eine Stimmung zwischen konzentrierter Vorbereitung und entspannter Vorfreude. Alle erledigten ihre finalen Bastelarbeiten an Bord, tauschten Geschichten aus, und trotz der bevorstehenden Konkurrenz ging man sehr offen und hilfsbereit miteinander um.
Für uns besonders schön waren die Begegnungen mit bekannten Gesichtern: Die Edelweiß die mit zwei DHHlern an Bord den Admirals Cup bestritt – ein stolzer Moment für den Verein! Die Friesisch X, eine X-99, die sich über mehrere Regatten hinweg als charmanter und sportlicher Konkurrent etabliert hatte. Die Haspa vom HVS, ebenfalls mit mehreren DHHlern besetzt. Und darüber hinaus zahlreiche ehemalige oder noch aktive Ausbilder und DHH Mitglieder, die auf den verschiedensten Schiffen ihre Fastnet-Träume verfolgten. Es war ein Wiedersehen, ein Kennenlernen, ein Netzwerk von Gleichgesinnten, die alle dasselbe Ziel teilten.
In dieser einzigartigen Mischung aus Anspannung, Professionalität und Gemeinschaftsgefühl wurden auch die letzten technischen Vorbereitungen getroffen: Der Riggtrimm wurde auf mittlere Winde eingestellt – ein Kompromiss basierend auf den noch leicht unklaren Wetterprognosen. Es bestand die Möglichkeit, dass ein tiefes Tiefdruckgebiet durchziehen würde, das die Flotte in der Nähe des Fastnet Rock treffen könnte und Wind bis zu 38 Knoten am Rock bedeuten würde. Die Spannung stieg mit jedem Wetterbericht.
Start & Regatta
Der Start: 26. Juli 2025
Zwei Stunden vor dem Start wird ausgelaufen – eine logistische Meisterleistung des Hafens, der mehr als 30 Schiffe auf Plätzen organisiert, die normalerweise für zehn Boote ausgelegt sind. Endlich draußen sind die unterschiedlichen Startzeiten essentiell: Die schnellen Schiffe zuerst, damit es bei den berüchtigten Needles nicht zu eng wird. Es sind spezielle Wartebereiche ausgewiesen in denen gewartet werden muss.
Das Startfeld ist überwältigend: Fast 500 Boote, eine Atmosphäre voller Energie und Vorfreude. Jets der British Army fliegen in Formation über die Startlinie – ein spektakuläres Schauspiel! Doch nicht alles läuft glatt: Mehrere Crashs in der dichten Meute, einige Frühstarts mit der bitteren Konsequenz von 120 Minuten Zeitstrafe. Die Peggy gehört erfreulicherweise zur größten Gruppe ohne Frühstarts – ein sauberer, kontrollierter Start, vielleicht etwas konservativ getimt, aber dafür absolut regelkonform. Es gibt bei diesem großen Rennen auch einen Live-Stream des Starts, der begeistert von Zuhause verfolgt wird, wie wir später erfahren haben.
Kurz dem Start werden alle an Bord noch einmal in den Arm genommen, ein letzter Moment der Ruhe bevor sich die Crew voll und ganz auf die bevorstehenden Tage einlässt. Dann fällt der Startschuss um 14:20!
Die Regatta: 5 Tage, 8 Stunden auf See
Der erste Schlag: Raus aus dem Solent
Unter G1 und vollem Groß kreuzen wir aus dem Startgebiet in den Solent. Vor den legendären Needles – den markanten Kreidefelsen am westlichen Ende der Isle of Wight – wird das erste Mal umgebaut: Wechsel auf G3, erstes Reff ins Groß. Die Bedingungen werden rauer. Die Crew findet schnell in den Rhythmus, das Wachsystem beginnt zu greifen.
Und dann zeigen die Needles und insbesondere die Shingels, warum sie bei Seglern berüchtigt und gefürchtet sind: Brechende See kommt über die Shingels von der Steuerbordseite, meterhoch, imposant und unerbittlich. Das Wasser schlägt über das gesamte Schiff und spült einmal die komplette Crew an Deck durch. Ein nasser eiskalter Empfang in die Offshore-Welt des Fastnets! Doch die Crew bleibt konzentriert und fokussiert – genau dafür haben wir trainiert und uns über Jahre vorbereitet.
Kurz nach den Needles kommt es zu einer besonderen Begegnung: Die Haspa kreuzt unseren Kurs. Sie haben gerade ein MOB-Manöver hinter sich – eine Person ist über Bord gegangen. Doch dank der vielen Motorboote in der Startphase und des souveränen Handelns von Skipper und Crew ist die Person schnell wieder an Bord und unverletzt. Diese Situation verdeutlicht uns einmal mehr die ernsthafte Gefahr im Offshore-Segeln. Die Haspa musste zurück zum Punkt des Vorfalls, um von dort regelkonform weiterzusegeln – ein Zeitverlust, aber vor allem: Alle sind wohlauf. Respekt für die professionelle Abwicklung!
Im weiteren Verlauf begleiten ständige MOB-Meldungen unseren Weg. Insbesondere im Solent und der Einfahrt zum Englischen Kanal kommt es in kurzen Abständen zu Meldungen über Funk und AIS zu MOB-Situationen. Immer überprüften wir wachsam, ob wir in der Nähe sind und Hilfe leisten können – doch wir waren meistens zu weit weg. Eine Vielzahl von Alarmen werden durch fehlerhafte Geräte ausgelöst, aber es kommt wie man sieht durchaus zu ernsthaften MOB-Situationen. Diese Wachsamkeit ist im Ernstfall überlebenswichtig und hält alle bis zum Ende der Regatta konzentriert.
Im Feld bleiben: Der Weg zu den Scillys
Von da an heißt die Devise: Im eigenen Feld bleiben, die Konkurrenz in Sichtweite halten. Für die Peggy ist dies eine ungewohnt angenehme Situation – bei vielen anderen Regatten ist sie als kleinstes und langsamstes Schiff oft allein unterwegs, immer im Kampf gegen die Uhr ohne direkten Sichtkontakt. Hier aber, im großen Fastnet-Feld, sind ständig Boote in der Nähe: mal voraus, mal achtern, mal Steuerbord, mal Backbord. Ein ständiges taktisches Schachspiel auf dem Wasser. Wir sind mittlerweile alle im Modus; Segeln, Essen, Schlafen und dann das Ganze wieder von vorne. Der Alltag ist etliche (nautische) Meilen weit weg. Voller Fokus.
Die kritische Entscheidung: Zwischen Scillys und TSS
Dann kommt die erste große taktische Herausforderung: der Weg um die Isles of Scilly. Die Route führt mit mehreren Optionen an den Verkehrstrennungsgebieten (TSS) der Scilly-Inseln vorbei. Die auf dem Weg liegenden TSS sind für die Regatta als Sperrgebiet ausgewiesen, wer als Segelyacht in ein TSS hineinfährt, kassiert eine Zeitstrafe von 3 Prozent auf die Gesamtzeit – ein enormer Zeitverlust bei einer mehrtägigen Regatta. Wir entscheiden uns für den Weg westlich der Scillys und östlich des westlich gelegenen TSS.
Die Entscheidung fällt basierend auf den aktuellsten Strömungsdaten: Hochkreuzen zwischen Scillys und TSS. Nur wenige Boote treffen die gleiche Wahl – ein riskanter, aber kalkulierter Schritt. Der Point of no Return ist schnell erreicht, und dann heißt es: durchziehen und das Maximum rausholen! Im Nachhinein ist es weder die geniale Entscheidung, die alle Konkurrenten hinter sich lässt, noch eine Fehlentscheidung – aber sie sorgt für unruhige Nächte beim Navigator. Das Ergebnis einer solchen Entscheidung zeigt sich bei einer Langstreckenregatta ja meist erst etliche Stunden später.
Die lange Kreuz nach Irland
Es folgt die längste Kreuzphase der Regatta: Unter G3 und vollem Groß geht es Richtung Irland. Stundenlang, Tag und Nacht, immer gegen Wind und Welle. Vor Einbruch der Dunkelheit wird nochmals die Wetterprognose betrachtet und vorsichtshalber die G4 bereit gelegt und im Groß das zweite Reff eingebunden – Schauerböen sind angekündigt und nachts will niemand in eine unkontrollierte Lage geraten. Die Vorsicht zahlt sich aus: In der Nacht frischt es auf bis zu 32 Knoten auf. Das Schiff stampft durch die Wellen, aber die Crew behält die volle Kontrolle. Pünktlich zum Sonnenaufgang flaut es wieder ab und der Himmel reißt auf. Jetzt nochmal alles geben auf der Kreuz, Ziel Irland!
Irland in Sicht: Der Fastnet Rock
Dann, endlich: Die irische Südküste kommt in Sicht! Nah an der Küste wird weiter hochgekreuzt, und es sind wieder fünf Schiffe deutlich sichtbar in der Nähe – Wiedervereinigung mit dem Feld . Bis zu diesem Punkt ist es praktisch eine einzige Kreuz gewesen, jedes mal wieder auf 33 Fuß ein Training in Geduld und Ausdauer.
Doch dann kommt der Moment, auf den alle gewartet hatten: Das Runden des Fastnet Rock! Der legendäre Leuchtturm auf dem einsamen Felsen im Atlantik – das Symbol dieser Regatta, der Wendepunkt. In strahlendem Sonnenschein und ohne Nebel, wie gemalt.“Alle an Deck”, um den ersten Teilerfolg zu feiern und ein unvergessliches Foto wird geschossen. Ab jetzt geht es "downwind" vollgas zurück.
Spinnaker-Marathon: Der Rückweg
Der Spinnaker wird gesetzt – und soll für die kommenden Tage oben bleiben. Am TSS des Rocks vorbei bei 26 Knoten Wind und zwei Meter Welle. Wir wollen es einfach erzwingen. Der Spi muss hoch, wir müssen weiter Druck im Schiff haben und wollen schnell wieder zurück. Geschafft, der Spinnacker steht, das Schiff rauscht durch das Wasser! Die Crew lebt nach dem Motto: "Was oben ist, ist oben!". Es ist herausfordernd zu steuern und bei der ungebremsten Atlantikwelle und böigem Wind den Spinnaker zu segeln, aber es funktioniert.
Die Nacht wird mit Spinnacker oben durchgekämpft – eine Herausforderung für Konzentration, Wachsamkeit und Teamwork. Im Dunkeln unter Spinnaker zu segeln, bei Welle und gutem Wind, erfordert höchste Aufmerksamkeit. Doch die Crew ist in ihrem Rhythmus: drei oder vier an Deck, zwei im Schlaf, einer oder zwei auf Standby – ein System das funktioniert.
Die Scillys: Ein Kampf der Geduld
Bei den Scillys auf dem Rückweg beginnt der wohl anspruchsvollste Abschnitt der Regatta: Der Wind lässt nach, weniger Druck in den Segeln, wir müssen um jeden zehntel Knoten kämpfen. Eine echte Geduldsprobe, die im Rückblick auch Raum für taktische Verfeinerungen erkennen lässt – doch im entscheidenden Moment alle Faktoren exakt abzuschätzen, bleibt selbst für erfahrene Crews eine Herausforderung.
AIS-Ausfall: Spannende Nachtfahrt durch den Kanal
Mitten in dieser Phase die nächste Herausforderung: Plötzlich stellen wir fest, das AIS ist ausgefallen. Der Adapter zum System ist defekt. Wir senden noch, sodass andere Schiffe die Peggy sehen können – aber wir selbst sehen keine anderen Schiffe mehr auf dem Display. Die bevorstehende Nachtfahrt durch den vielbefahrenen englischen Kanal wird dadurch deutlich spannender.
Alle Lichter müssen nun richtig eingeordnet werden: Frachtschiffe, Fähren, andere Segelboote – und das alles, während der Spinnaker oben ist und der Ausguck besetzt werden muss. Das Theoriewissen der Lichterführung wird praktisch angewandt. Es wird nicht gerade entspannter, aber die Crew meistert auch diese Situation mit Ruhe und Professionalität. Keine Nervösität, nur erhöhte Wachsamkeit – genau so, wie es sein soll und wie wir es gelernt, trainiert und uns gewünscht haben.
Zieleinlauf: 31. Juli 2025, 22:02 Uhr
Pünktlich zum Sonnenuntergang kommt die französische Küste und dann auch Cherbourg in Sicht! Der Spinnaker steht seit dem Fastnet Rock – der mit Abstand längste Spinnaker-Schlag, den die Peggy mit uns bisher gesegelt ist. Erst nach der Ziellinie wird er wieder geborgen, damit endet eine legendäre Regatta.
Beim Zieleinlauf werden wir von der SY Edelweiß begrüßt, die bereits auf dem Rückweg nach Hamburg ist. Ein kurzer herzlicher Gruß - DHHler unter sich!
Happy. Glücklich. Müde.
Eine herzliche Empfangsparty von unterschiedlichsten bekannten Gesichtern erwartet uns im Hafen. Große Festzelte, Musik, Lachen, Umarmungen – eine schier endlose Ankunftsparty. Nach und nach laufen weitere Schiffe ein, und die Stimmung wird mit jedem Boot intensiver. Die lieb gewonnenen Konkurrenten von der Friesisch X werden in Empfang genommen – aus Konkurrenten sind Freunde geworden.
Das Ergebnis
Das Fastnet Race 2025 wurde erfolgreich gemeistert – eine großartige Teamleistung von HYS- und CYS-Ausbildern unter wechselhaften Bedingungen. Nach 5 Tagen und 8 Stunden ging es über die Ziellinie in Cherbourg mit folgenden Platzierungen:
- IRC Overall: Platz 273
- IRC4: Platz 58 – damit zweitbestes deutsches Boot in der Klasse
- IRC4B: Platz 8
Zur Erklärung: IRC (International Rating Certificate) ist ein Handicap-System, das unterschiedliche Bootstypen vergleichbar macht. IRC4 ist eine Division für kleinere bis mittelgroße Yachten, IRC4B eine Unterklasse davon.
Rücküberführung
Die Peggy wurde von Cherbourg bis in den Hamburger City-Hafen überführt. Dort übernahmen der ehemalige Stammsegellehrer der CYS, Timo Elfes, und seine Crew das Schiff und brachten es zurück nach Glücksburg.
Fazit
Alles ist möglich mit dem richtigen Team – auch innerhalb des DHH.
Die Organisation lief so gut, dass nichts Gravierendes kaputt ging. Die Teamstärke war herausragend, keine Ausfälle!
Es ist schön zu sehen, in welchen Zustand die Peggy gebracht wurde, und die Hoffnung besteht, dass die Peggy oder ein anderes DHH-Schiff in Zukunft ähnliche Offshore-Klassiker bestreitet. Und wer weiß vielleicht geht der Blick auch noch weiter hinaus und wir sehen mal wieder eine Atlantik-Überführung.
Dank-sagungen
An dieser Stelle gilt herzlicher Dank:
Der HYS, der Schulleitung um Jochen Kopf, dem Vorstand des DHH, sowie insbesondere Jan-Philipp Leon und Michael Dreyer für ihre unermüdliche Unterstützung. Auch der Werft und allen Helfern, die sich Zeit für dieses Vorhaben genommen haben – selbstverständlich ist es nämlich nicht, dass so viel Freiheit gegeben wird und gleichzeitig alles mit maximaler Eigeninitiative gestaltet werden darf und wir so viel Unterstützung von so vielen Menschen in ihrer Freizeit bekommen haben,
Dank der Koordination durch die HYS-Ausbildung wurden die Überführungen als Törns für Ausbilder angeboten. Erfahrene Schiffsführer und motivierte Crews von CYS und HYS führten die Peggy in die Nordsee, die Deutsche Bucht, den Ärmelkanal und die Ostsee. Viele spannende Geschichten über diese Törns sind zu hören – gerne wird auch auf den Artikel von Thomas Baumgartner verwiesen, der in einer der kommenden Ausgabe des Blauen Peters (01/26?) erscheinen wird!
Insgesamt waren mehr als 25 aktive Ausbilder des DHH an diesem Fastnet-Projekt beteiligt – sieben in der Regatta-Crew, sechs bei der Überführung von Cuxhaven nach Cherbourg, fünf weitere von Cherbourg nach Hamburg und sechs von Hamburg nach Glücksburg. Das Ziel, die Peggy wieder mehr zu bewegen und so viele Ausbilder wie möglich einzubinden, wurde erreicht: Nach aktuellem Stand (Oktober 2025) waren dieses Jahr mehr als 40 verschiedene Ausbilder mit dem Schiff auf Überführungen und Regatten unterwegs. Es waren über 90 Tage auf See und mehr als 3000 Seemeilen – eine Leistung, die uns sehr stolz auf den DHH und die Peggy macht.
Wer beim DHH ausbildet, dem stehen die Türen zu vielen Möglichkeiten und auch solchen Projekten offen – man muss es nur wollen und machen!
Last but not least: Geht der Dank an unsere Crew. Wir haben es geschafft, in kurzer Zeit zu einem echten Team zusammenzuwachsen. Jeder hat die Aufgabe äußerst ernst genommen und sich maximal eingebracht. Obwohl wir uns teilweise nur oberflächlich kannten und nie so viel Zeit zusammen verbracht haben, hat die Fokussierung auf das gemeinsame Ziel beeindruckend im Vordergrund gestanden und die einzigen Differenzen waren seglerische Entscheidungen. Das war wirkliche Seemannschaft und ein echtes Vereinsleben. Eine Erinnerung die bleibt!
Vielen Dank!
Ferdinand Muth & Sönke Mühlfeld